SIEGBURG. Zwei Stadtverwaltungen – Niederkassel und Königswinter – hatten sich vor fünf Jahren als Pilotkommunen auf den Weg zur Zertifizierung mit dem Siegel „Interkulturell orientiert“ gemacht, inzwischen sind ihnen mehrere Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und sogar ein Verein gefolgt. Kreisdirektorin Svenja Udelhoven und Reiner Mathes, Sprecher der AG Wohlfahrt und Kreisgeschäftsführer des Paritätischen überreichten während einer erstmals seit 2019 stattfindenden Feier gleich drei Institutionen und der Stadtverwaltung Sankt Augustin ihr neu erworbenes Siegel; die Gemeinde Swisttal, die Stadt Troisdorf sowie das Jobcenter Rhein-Sieg erhielten sogar eine Urkunde über ihre „Re-Zertifizierung.“
Gemeinsam initiierten 2017 die vom Caritasverband Rhein-Sieg e.V., dem Diakonischen Werk An Sieg und Rhein und von der Kurdischen Gemeinschaft getragenen Integrationsagenturen mit dem Kommunalen Integrationszentrum des Rhein-Sieg-Kreises (KI) dieses Siegel. Ziel sei es, so Caritas-Mitarbeiterin Stephanie Neuhaus, „das Bewusstsein zu stärken, dass die interkulturelle Öffnung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.“ Ihre Kollegin Gülten Şahin-Jes vom KI ergänzt: „Das Siegel soll erreichen, dass Vielfalt als Chance wahrgenommen wird.“
Das unterstreicht Kreisdirektorin Svenja Udelhoven in ihrem Grußwort: „Vielfalt wohnt jeder Kultur inne, sie zu schätzen muss die Motivation von uns allen sein“ Für sie sei die interkulturelle Öffnung ein Herzensprojekt, das in der Kreisverwaltung zum Beispiel Bestandteil einer jeden Ausbildung sei. Und ein solches Herzensprojekt, so der zweite Laudator Reiner Mathes, sei auch dringend notwendig: „Wir erleben derzeit eine große Polarisierung zwischen einer großen Offenheit in der Gesellschaft einerseits und einem zugleich zunehmenden Rassismus.“
„Denken Sie in Schubladen?“, fragt Anja Roth, stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenter Rhein-Sieg in das Publikum hinein Und räumt zugleich ein, wie schnell eine Behörde wie ihre zugunsten eines effizienten Arbeitens in Gefahr gerate, genau dies zu tun. Umso wichtiger sei die Re-Zertifizierung für ihr Jobcenter, in dem immerhin Menschen aus 14 verschiedenen Nationen arbeiteten.
Der Antrag auf das Siegel „Interkulturell orientiert“ beginnt stets mit einer ehrlichen Analyse des Ist-Zustandes. „Positiv überrascht haben wir dabei festgestellt, wie viel wir schon haben“, so Gerlinde Kummer vom Kinderschutzbund Hennef. Mit seinen integrativen Angeboten ist er der erste Verein, der zertifiziert wird. Genau dieser „Blick von außen“, mit dem das Siegel-Team die Erstaufnahme vollzieht und daraus mit den Anwärtern Stationen der Veränderung erarbeitet, sei enorm wichtig, bedankt sich auch Monika Bähr, Vorstandsvorsitzende des SKM für die Assistenz. Ein Blick, den zudem Professor Henrique Ricardo Otten auch einmal auf das große Ganze – den Siegel-Prozess überhaupt – geworfen hat. „Das Programm hat sich selbst auf den Prüfstand gestellt“, lobt der Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Er hat das Siegel-Team mehr als ein Jahr begleitet und abschließend als gut und nachhaltig wirkend beurteilt. Hoch qualifizierte Mitarbeitende gingen hier strukturiert und zugleich individuell auf die Unternehmen oder Einrichtungen ein; auch sei das Siegel anders als so viele kurzlebige Projekte auf Dauer angelegt. Dass jedoch nicht nur ein strukturiertes Programm, sondern vor allem die Menschen bei der Ausgestaltung wichtig sind, betont Barbara Gunst- Assimenios aus dem Swisttaler Sozialamt: „Ein Prozess funktioniert nur, wenn er zugelassen wird.“